Menschen mit einer Sozialen Phobie stehen besonders im Beruf unter Druck

  • Selbsthilfeverband ermutigt zum Training von Achtsamkeit und Eigenakzeptanz

In Zeiten wachsender Konkurrenz werden hohe Erwartungen an Einzelpersonen gestellt. Nicht selten fühlen sich Menschen deshalb unter Druck und tendieren vor allem im Beruf zu einem Idealismus. Dies gilt insbesondere für Betroffene einer Sozialen #Phobie, denn sie kämpfen ohnehin mit Angstgefühlen und bauen aus Sorge vor dem Nicht Genügen sich selbst Druck auf. Sie können so in eine ständige Spirale des Noch Besser Machen Müssens geraten. Der Selbsthilfeverband »intakt« möchte Wege aus diesem Problem heraus aufzeigen, besonders für Situationen, in denen die »üblichen« Ratschläge nicht weiterhelfen. 

Wie der Vorsitzende, Julian Kurzidim, hierzu entsprechend formuliert, bezeichne Perfektionismus das problematisch große Bedürfnis, überdurchschnittlich gute Ergebnisse zu erbringen einerseits aus dem Streben nach Vollkommenheit, andererseits aus dem Wunsch zur Fehlervermeidung. »Zwar ist das Anliegen, brillante Arbeit abzuliefern, als verständlich und vorbildlich anzusehen. Doch kann es aufgrund der ständigen Obsession zu noch mehr Steigerung die eigene Wahrnehmung zunehmend verfälschen und sogar ein objektiv ausgezeichnetes Ergebnis für Betroffene als schlecht und ungenügend erscheinen lassen. Grund hierfür ist die Erfahrung, von Anderen als Person und in der erbrachten #Arbeit fortgesetzt als nicht ausreichend genug beurteilt zu werden«. Dabei sind Lob und Anerkennung von außen sichtbar, allerdings werden solche Prädikate aus unterschiedlichen Beweggründen vom Sozialphobiker nicht erkannt, in Zweifel gezogen oder umgedeutet. Unpassende Anforderungen und Glaubenssätze (»das Gefühl vom #Fisch auf dem #Fahrrad«), ein persönliches Selbstbewusstseinsdefizit oder vermeintlich überhohe Ansprüche von Kollegen oder Vorgesetzten können hierbei eine Rolle spielen.

Tatsächlich tendiert das berufliche Umfeld für den Fall, dass es die Furchtsamkeit des Betroffenen entlarvt, nicht selten zu einem #Mobbing #Verhalten, weil ein kollektives #Minderwertigkeitsgefühl in der heutigen Gesellschaft zu einer notwendigen Kompensation beiträgt, welche nicht zuletzt durch die Schaffung von angeblichen Macht und Hierarchiestrukturen eine Täter Opfer Rollenverteilung befördert.

Menschen mit #Sozialphobie hätten es aus Sicht des Psychosozialen Beraters von »intakt«, Dennis Riehle, schlussendlich oft genug erlebt, in ihrem Tun als »unwirksam« klassifiziert zu werden. Ein in diesem Zusammenhang häufig genanntes Beispiel sei die »Schulnote für die mündliche Mitarbeit«. »Wenn man als Miteinander in einer Leistungsgesellschaft Erfolg und Durchsetzungsvermögen ausschließlich anhand von Konkurrenz und Wettbewerb misst, wird der beständige Versuch eines Sozialphobikers zur Rückgewinnung von Anschluss an die Allgemeinheit nachvollziehbarer«. Doch die Suche nach individuellen Verbesserungen koste besonders dann viel Energie und Zeit, wenn man insgeheim ohnehin davon ausgehe, eine eigene Günstigkeit ohnehin nicht zu erreichen.

Laut Kurzidim wird #Churchill wird gern mit der Feststellung zitiert, dass das Streben nach Perfektion als Lähmung verstanden werden kann: »Und trotzdem hat er Wege gefunden, bis zum Premierminister aufzusteigen!«, so der intakt Vorsitzende. Wie er weiter ausführt, würde als #Therapie gegen die Sozialphobie oft das Trainieren von Selbstakzeptanz und Achtsamkeit angewandt und zu lernen, Fehler zuzulassen: »Zwar können diese die Anspannung reduzieren, doch nicht den Anlass der Angst beheben. Die mächtige Vorgeschichte der Besorgnis baut eine Mauer auf, an der gutgemeinte Ratschläge abprallen. Entscheidend ist daher eher, ob die Zielgruppe Defizite als völlige Normalität annimmt«.

Gleichzeitig werde nicht selten empfohlen, das »Paretoprinzip« zu nutzen. Dieses besagt in seiner Theorie unmissverständlich, dass 80 Prozent des Erfolgs mit 20 Prozent des Aufwands erzielt werden können. Wer dieses Fünftel erkennt, komme so schnell an den Punkt, von dem aus Vieles ganz einfach ist. Es hilft gegen das Gefühl des unüberwindlichen Anfangs. Wichtig dabei ist, einen eigenen Zugang zum Thema und zum Niveau zu finden. »Muss ich wirklich Nummer 1 sein auf einem Gebiet, auf dem alle die Besten sein wollen oder da, wo ich es wirklich bin?« diese selbstkritische #Konfrontation sollten Sozialphobiker zulassen, meint Julian Kurzidim. Hobbys oder Freizeitaktivitäten lassen sich für befreiende Erfahrungen heranziehen, denn hier seien Misserfolge ohne Konsequenz, adäquate Reaktion darauf kann geübt werden. »Gerade Perfektionisten sind oft verärgert, mit welchem 'Schrott' andere Erfolg haben. Warum nicht mal probeweise selbst Schrott abliefern?«, fragt Julian Kurzidim.

Wo es nicht möglich sei, das eigene Gefühl vom »Müssen« zu überwinden, könnten Glück und positive Erkenntnisse aus durchlebten Krisen und dem Erreichen von Höhen im Privaten helfen, erklärt Dennis Riehle. Und wenn ein schnelles »schlechtes« Ergebnis unerwartet nützlich genug ist, kann dies als Selbstbestätigung und Errungenschaft verbucht werden, so Kurzidim. »Vielleicht mal absichtlich schlecht sein und das Ergebnis zweimal betrachten, welch unerwartete Qualitäten es hat, ob es womöglich doch passt  oder sogar besser ist«, rät der Vorsitzende. »Fortschritte und Durchbrüche als überdurchschnittliche Leistung bewusst erleben und genießen, dieses Erlebnis sollte man sich bei Sozialphobie durchaus gönnen. Und ein wenig Prüfungsangst oder Wankelmut bezüglich des Ausgangs einer beruflichen Herausforderung darf trotz allem sein, denn dadurch kann eine gesunde Motivation gestärkt werden«, ermutigt Kurzidim, der abschließend eine eigene Erfahrung aus seinem Studium anführt: »Welche Note habe ich dir wohl gegeben? Drei?  Ja, aber mit einer Eins davor«, so erinnert er sich an eine Prüfung. »Bei meiner Diplomarbeit war ich schon so an Erfolge gewöhnt, dass ich sie entspannter schreiben konnte  und nur eine Zwei Minus bekam«.

Zum Hintergrund

Gemäß unterschiedlicher Erhebungen erleiden bis zu 7 Prozent der Menschen in Deutschland während ihres Lebens zumindest eine Phase sozialer Angst. Bei der Phobie fürchten sich Betroffene vor Bewertung und Beobachtung durch Außenstehende. Sie sind der Überzeugung, die Erwartungen der Gesellschaft nicht erfüllen zu können und vermeiden deshalb Sprechen oder Essen in der Öffentlichkeit, Teilnahme an Veranstaltungen wie Festen oder Familienfeiern sowie das Knüpfen neuer Kontakte oder Gespräche mit Kollegen und Vorgesetzten.

Aufgrund ihrer Nervosität erröten sie schnell, werden unruhig, oder wirken verunsichert, was ihre Angst zusätzlich triggert. Sie erfahren häufig psychosomatische Beklemmung, erhöhten Pulsschlag, Zittern, Atemnot oder Schwitzen. Nicht selten ist mit der Phobie eine generalisierte Schüchternheit verbunden, welche die Teilhabe am sozialen Leben erheblich beeinträchtigt. Zur Behandlung der Erkrankung stehen in erster Linie verhaltenstherapeutische oder psychodynamische Verfahren bereit. Selten muss zur Behandlung der Angsterkrankung auch eine pharmakologische Begleitung verordnet werden.

Zum Verein

Der Verein »intakt« trägt den Untertitel »Norddeutscher Verband der Selbsthilfe bei Sozialen Ängsten« und war bei seiner Gründung im Jahr 2004 der erste eingetragene Verein speziell zu diesem Thema. Er unterstützt Selbsthilfegruppen durch Begleitung bei der Gründung, in der Leitung und durch Moderation in Krisen. Er bietet für die verschiedene Dienstleistungen wie die Öffentlichkeitsarbeit. Aufmerksamkeit erlangte der Verein mit dem Buch »Der ängstliche Panther«, das Erfahrungsberichte vieler Gruppenmitglieder zusammenfasst. Für Betroffene ist »intakt« oft eine erste Adresse bei der Suche nach einer niederschwelligen Hilfe. Sie erhalten bei ihm Auskunft über entsprechende Angebote in ihrer Region. Zudem berät er Menschen mit Sozialphobie und ihre Angehörigen in Lebenskrisen und vermittelt im Zweifel an #Therapeuten oder #Ärzte. MehrExternal Link