Inflation fördert Mangelernährung, Kleiderkammern, Hygienedefizite und Wohnungslosigkeit

Konstanz, 11. Oktober 2022

  • Ehrenamtliche Beratungsstelle berichtet von dramatischen Schicksalen in der Teuerungskrise

»Manchmal habe ich das Gefühl, wir leben in einem #Entwicklungsland!« – Mit diesen drastischen Worten kommentiert der Leiter der #Psychosozialen #Sprechstunde, Dennis Riehle (Konstanz), seine Erfahrungen aus der ehrenamtlichen Beratung der vergangenen Monate und stellt unverhohlen fest: »Selbstverständlich gibt es auch bei uns Menschen, die sich keine drei Mahlzeiten am Tag leisten können und durch Inflation und Teuerung nicht mehr genügend Geld haben, um sich das Allernötigste zu beschaffen«. Riehle zeigt sich empört über manche #Politikerphrasen: »Wenn Bundeskanzler Scholz davon spricht, dass wir zusammenhalten und uns unterhaken, dann ist das ein Schlag ins Gesicht von Millionen Bürgern, die aktuell in die Armut gerutscht sind und nicht einmal mehr wissen, wie sie die nächsten Wochen über die Runden kommen sollen. Von wegen ›You’ll never walk alone‹!«, meint Riehle.

Der 37 Jährige, der als Psychologischer Berater, #Sozialberater, #Familienberater und Integrationsberater das Projekt der kostenlosen Mailberatung für alle ins Leben gerufen hat und derzeit rund 15 Anfragen von Hilfesuchenden täglich beantwortet, schildert drastische Beispiele: »Eine Rentnerin wohnt seit 60 Jahren in ihrer Mietwohnung. Nun kann sie die Stromkosten und Heizkosten nicht mehr zahlen und ihr droht die Kündigung im Alter von 85 Jahren. Aus lauter Verzweiflung will sie nun ins #Pflegeheim gehen, obwohl sie eigentlich noch sehr rüstig ist und gerne selbstbestimmt weiterleben würde. Sie hat Sorge, dass sie in einer neuen Wohnung wiederum nur einige Woche zubringen könnte, weil man derzeit ja ohnehin nicht wisse, wie sich die Lage innerhalb des nächsten Monats entwickele. ›Ich habe den Zweiten Weltkrieg erlebt – und das war schon wirklich schlimm. Aber jetzt? Soll ich nun in meinem Alter vielleicht in die Obdachlosigkeit gehen und kein #Dach mehr über dem Kopf haben?‹, fragte sie mich zu Recht und wirkte unheimlich verzweifelt. Oder eine alleinerziehende Mutter, die ihrem Kind und sich nur noch Essen aus Dosen und Tüten finanzieren könne und dabei nicht einmal auf 1.000 bis 1.200 Kalorien am Tag komme. Das ist nach #WHO Grundsätzen eindeutig eine Mangelernährung und nur beschämend. Und der behinderte 45-Jährige, der erwerbsgemindert ist und Sozialhilfe erhält. Abzüglich der Nebenkosten, die teilweise auch den Regelsatz auffressen, bleiben für Kleidung – die er nur noch aus Second Hand Shops und gebraucht kaufen kann – #Lebensmittel und Hygieneartikel (»Alle paar Monate eine neue Zahnbürste, Rasierschaum kann ich mir schon lange nicht mehr leisten!«) 220 Euro für die kommenden 30 Tage. Entspricht das dem garantierten Existenzminimum?«.

Riehle machen solche Darstellungen sprachlos: »Es ist kaum zu vermitteln, dass der Steuerzahler milliardenschwere Unternehmen retten soll – und wir offenbar gleichzeitig nicht in der Lage sind, jedem Mitglied unserer Gesellschaft die verfassungsmäßig garantierte Menschenwürde zukommen zu lassen«, echauffiert sich der Berater und fasst zusammen: »Die Zustände sind für eine Industrienation des Westens unhaltbar und verstoßen gegen jedwede #Ethik und #Moral, an der sich ein Wohlfahrtsstaat unserer Wirtschaftsleistung messen lassen muss«. Aus Sicht Riehles verschließe die »Ampel« #Koalition die Augen vor der Wirklichkeit und drücke sich damit vor den Realitäten des Alltags der Menschen und ihrer Familien, obwohl die Missstände offenkundig zum Himmel schreiten: »Es ist unter diesen Umständen kaum verwunderlich, dass pathologisch relevante Zukunftsängste und Sorgen, aber auch manifeste Depressionen um sich greifen. Ich werde mit so vielen Schicksalen konfrontiert, wie ich es in den 16 Jahren meiner Beratungstätigkeit nicht erlebt habe. Und es fällt schwer, Hoffnung zu machen. Denn während die Regierung immer neue Entlastungspakete für die untere Mittelschicht verkündet, sind es bei den wirklich Bedürftigen, die eigentlich nicht mehr tiefer abrutschen können, Tropfen auf den heißen Stein, die die prekäre Lage überhaupt nicht verbessern«, so Riehle abschließend.

Die Beratung ist für jeden Hilfesuchenden überregional unentgeltlich erreichbar per E Mail an beratung@psychosoziale-sprechstunde.deExternal Link